Langsam dreht der Polizeiwagen seine Runde durch leere Straßenzüge. Das Dortmunder Klinikviertel, eigentlich ein belebtes Wohnquartier, ist am Sonntag völlig verwaist. Mitarbeiter des Ordnungsamtes überprüfen, ob alle Anwohner wie geplant ihre Wohnungen verlassen haben. Gleich vier Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg werden in der Innenstadt vermutet, fast 14 000 Menschen müssen deshalb ihre Wohnungen vorübergehend räumen.
Einen jungen Mann klingeln die Mitarbeiter aus seiner Wohnung. «Hab verschlafen», murmelt er, als er aus der Tür huscht. Sechs Straßen im Viertel sind da bereits mit Containerwänden versperrt - eine Vorsichtsmaßnahme, um eine mögliche Explosion abzuschwächen.
«Die meisten Leute sind sehr kooperativ», sagt Mario Niedzialkowski, der den Einsatz des Ordnungsamtes leitet. «Viele sind wohl schon Freitag und Samstag aus ihren Wohnungen raus und über das Wochenende weggefahren.» Nur eine Person habe sich am Sonntagmorgen geweigert, das Haus zu verlassen. Dass die Evakuierung diesmal so früh angekündigt wurde, habe die Arbeit des Ordnungsamtes erleichtert. 380 Mitarbeiter sind wegen des Bombenverdachts im Einsatz.
Die Verdachtsstellen liegen in der Nähe von zwei Krankenhäusern. Bereits am Samstag wurden Patienten mit Krankenwagen in andere Kliniken gebracht oder in sichere Bereiche innerhalb der Gebäude verlegt. Auch rund 200 Bewohner dreier Seniorenheime wurden in andere Einrichtungen gebracht. Stundenlang ist Dortmund am Sonntag vom Zugverkehr weitgehend abgeschnitten. Fernzüge werden umgeleitet, Regionalzüge wenden an Bahnhöfen in Hamm, Bochum oder Schwerte und fahren zurück.
«Die Evakuierung dieses Wochenende ist eine der größten, die wir hier in der Stadt bisher hatten», sagt Feuerwehrchef Dirk Aschenbrenner. Dass die Kliniken betroffen sind, sei eine besondere Herausforderung. «In den 20 Jahren, die ich bei der Feuerwehr bin, habe ich das so auch noch nicht erlebt.» Insgesamt 425 Einsatzkräfte koordiniert Aschenbrenner.
An vier Stellen gab es den Verdacht, dass Blindgänger im Erdreich liegen könnten. Als die Kampfmittelräumer am Mittag die Verdachtspunkte freigelegt haben, zeigt sich, dass nur an zwei Stellen Fliegerbomben liegen. «Diese sind auch bezündert und müssen entschärft werden», sagt Niedzialkowski. «Die zwei weiteren Verdachtspunkte haben sich als negativ herausgestellt», teilt die Stadt mit.
Am Nachmittag kreist ein Hubschrauber über der Innenstadt. Die Polizei überprüft, ob nicht doch noch Menschen im Evakuierungsgebiet unterwegs sind. Die Entschärfung beginnt mit etwas Verspätung. Der erste Blindgänger, den die Kampfmittelräumer unschädlich machen, ist eine britische 250-Kilogramm-Bombe. Ihr Zünder wird gesprengt.
Bald darauf ist auch der zweite Blindgänger entschärft - eine amerikanische 250-Kilogramm-Bombe, wie die Stadt mitteilt. Der Rest ist Routine: Das Evakuierungsgebiet wird freigegeben, die Bewohner dürfen zurück in ihre Wohnungen. Im Klinikum Dortmund werden die Patienten in ihre angestammten Zimmer gebracht, die Notaufnahme öffnet wieder. Auch die Sperrung des Dortmunder Hauptbahnhofs wird aufgehoben. Bis die Züge wieder nach Fahrplan fahren, wird es aber noch einige Zeit dauern.
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