Der ARD-Film der TV-Journalisten Peter Reichelt und Ina Brockmann über die Straflager von Scientology:
Verschwunden im "Happy Valley"?
Die Besserungsanstalten der Scientologen
ARD - SWR / NDR / HR / 3 SAT und ORF / 1999 und 2000 - seit 2000 diverse Wiederholungen
Stuttgarter Nachrichten
HINTERGRUND, 25.02.1999:
Wenn Menschen im "Glücklichen Tal" verschwinden Scientology erzieht "Zweifler und Versager" hinter Stacheldraht nach eigenen Methoden um Stuttgart - Scientology unterhält Straflager. Bisher gab es darüber kaum Informationen. Und schon gar keine Bilder. Dem Mannheimer TV-Journalisten Peter Reichelt ist es gelungen, Besserungsanstalten, sogenannte RPF's (Rehabilitation Project Forces) des Scientology-Konzerns aufzuspüren.
Von unserem Reporter ANTON NOTZ
Zwei Autostunden von Los Angeles entfernt, in einer wüstenähnlichen Landschaft, liegt "Happy Valley". David Miscavage, der Chef von Scientology, hat sich in der Nähe ein ebenso luxuriöses wie mysteriöses Imperium erbauen lassen. Im "Glücklichen Tal" jedoch geht es anders zu als im Club Med. Rund 100 Leute der Elite-Einheit Sea-Org müssen hier büßen. "Die Menschen sind echte Gefangene. Sie sind absolut nicht freiwillig da", erzählt Gerry Armstrong, Ex-Koordinator des Scientology-Geheimdienstes OSA, der nach eigenen Angaben zweieinhalb Jahre in Straflagern verbrachte.
Jesse Prince, früher zweiter Mann in der Scientology-Führung hinter Miscavage, erzählt Reichelt vor laufender Kamera, was hinter Stacheldraht und videoüberwachten Mauern vor sich geht. Wie Sklaven müßten die Camp-Internierten Tag und Nacht arbeiten. Auch Prince spricht aus eigener Erfahrung. Er ging durchs "Glückliche Tal" wegen Befehlsverweigerung. "Es war absolut fürchterlich. Ich schlief in einem Hühnerverschlag auf dem Boden, Klapperschlangen und Scorpione um mich herum." Schwerstarbeit, Zwangshypnose, Gerhirnwäsche - das sind Aussteigern zufolge die Methoden, mit denen Scientology "Zweifler und Versager" wieder auf Linie zu bringen versucht. Nicht alle, aber jene, die bedeutsam sind für die Organisation, weil sie zu viel wissen oder ein wichtiges Rad in der weltumspannenden Geldmaschinerie sind.
Wie man sich in einem Straflager in Kopenhagen rehabilitieren muß, beschreibt eine einstmals hochrangige Scientologin so: Keine Zeitung, kein Radio, mit niemandem reden, den Abfall der anderen essen, immer arbeiten. Jeder beobachtet dabei jeden. Mit "Wissensreporten" schwärzt man die anderen an. Das kalifornische Straflager innerhalb von Miscavages goldenem Käfig kennt noch eine andere Besonderheit, die Peter Reichelt bei einem Flug über das Areal entdeckt hat: den "track". Jesse Prince erläutert: Hier rennen manche "Versager" zwölf Stunden um einen Pfahl herum, um wieder anständige Scientologen zu werden.
Prince hat sich aus den Fängen des Sekten-Konzerns befreit. Nach zahlreichen Morddrohungen lebt er getrennt von seiner Familie, um sie zu schützen. Peter Reichelt und seine Kollegin Ina Brockmann, die während der Dreharbeiten von Scientology-Mitgliedern auf offener Straße gewaltsam festgehalten worden waren, haben inzwischen einen Film fertiggestellt, der heute um 22.45 Uhr in Südwest 3 ausgestrahlt wird.
Nach wie vor im "Glücklichen Tal" lebt die 51jährige Wiebke Hansen, in Hamburg zehn Jahre lang eine der erfolgreichsten Scientology-Managerinnen weltweit. 1995 verschwand sie spurlos, ihr Bruder Jochen Körner hat nun wieder Kontakt zu ihr. In Hollywood konnte er sie vor kurzem einen Tag besuchen. Wiebke Hansen produziert Werbefilme für Scientology. Am Abend kehrte sie mehr oder weniger freiwillig ins "Happy Valley" zurück. "Umerziehungslager, das hatten wir doch alles schon einmal", sagt Jochen Körner ratlos.
Medienkritik:
Frankfurter Allgemeine Zeitung
von Michael Hanfeld
25.02.99 Feuilleton
Hubbards Lager
Scientology hautnah: "Verschwunden im Happy Valley?"
Wibke H. war weit oben. Sie lenkte die Geschicke ihres Unternehmens in ganz Deutschland. In den ersten Jahren ihres Wirkens konnte sie der Zentrale in den Vereinigten Staaten stets steigende Umsätze melden. Ihr jäher Fall nahte, als neue Jünger zunehmend ausblieben. Das trug ihr die Reise nach "Happy Valley" ein, wo sie sich wohl noch heute befindet, und wo es, den Recherchen von Peter Reichelt und Ina Brockmann zufolge, wohl kaum sehr angenehm sein kann. Denn "Happy Valley", so die Erkenntnisse und die Aussagen der beiden Fernsehjournalisten, ist ein Umerziehungslager, in dem in Ungnade gefallene Mitglieder der Scientology-Organisation wie Sklaven gehalten und üblen Torturen ausgesetzt werden.
Ein ehemaliger Sicherheitschef der Organisation etwa berichtet vor der Kamera, auf welche Weise sich der Chef der Scientology-Sicherheitspolizei "SeaOrg", David Miscavige, unliebsamer Mitarbeiter entledigt.
Den Bruder der Verschwundenen Wibke H., lassen die Autoren mit Blick auf die von ihnen geschilderten Methoden von Scientology das Fazit formulieren: "Das hatten wir schon mal."
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