Ist eine Gegendarstellung gegen eine Abmahnung ratsam oder schwachsinnig?
Neulich in meiner Kanzlei besuchte mich eine Mandantin, die, wie ihr Arbeitgeber behauptet hat, zu spät gekommen sei morgens. Zudem habe sie nach Alkohol gerochen. Wir entwickelten in der Kanzlei eine hochprozentige Verteidigungsstrategie. Die Strategie sah so aus, dass meine Mandantin behauptete, sie habe keinen Alkohol getrunken. Wohl aber nach einer langwierigen Zahn-OP und weil sie noch Schmerzen gehabt habe, habe sie früh morgens im Auto ein alkoholhaltiges Mundwasser benutzt. Meine Mandantin hatte auch noch, wie ihr Anwalt, schütteres Haar. Kurz bevor sie ihren Arbeitsplatz aufsuchte, hatte sie ein Haarwasser benutzt. Sie ahnen es, in diesem Haarwasser war ebenfalls Alkohol enthalten.
„Das und nichts anderes“, so trugen wir vor, "war der Grund dafür, dass sie morgens nach Alkohol gerochen habe."
Der Richter war wenig beeindruckt.
Er hörte sich unseren Vortrag an, fragte mich aber:
"Herr Rechtsanwalt, Ihnen ist aber schon bewusst, dass Ihre Mandantin eine Gegendarstellung zur Akte gegeben hat."
Wusste ich das? War mir das bekannt?
Ich fürchte nein.
Was sagte ich dem Richter?
"Selbstverständlich, Herr Vorsitzender, ist mir das bekannt. Was steht denn drin in der Gegendarstellung?"
Und, meine Damen und Herren, Sie ahnen es, was stand drin?
„Ja, es tut mir so leid“, hatte meine Mandantin geschrieben in der Gegendarstellung. Sie habe ein Alkoholproblem, aber sie arbeite daran, sie werde es alsbald überwinden.
Und ich stand da mit meinem Haarwasser und mit meinem Mundwasser als Verteidigungsstrategie. Was können Sie daraus lernen?
Mein Rat an Sie lautet:
Schreiben Sie keine Gegendarstellung. Andere Rechtsanwälte werden Ihnen anderes raten. Aber Sie haben ja mich gefragt. Sinn und Zweck einer Gegendarstellung ist es, dass der Arbeitnehmer sein eigenes Empfinden und seine eigene Darstellung der Ereignisse zum Ausdruck bringt. Damit will er der Abmahnung entgegentreten. Einen wirklichen Grund dafür gibt es aber gar nicht, denn die Abmahnung kann ich immer noch angreifen in einem nachfolgenden Kündigungsschutzprozess. Vorher sollte ich mich meiner Rechte nicht begeben und insbesondere nichts behaupten oder erläutern, was mir nachher auf die Füße fallen kann.
Mein Tipp für Sie: Verzichten Sie auf die Gegendarstellung.
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