Wissenschaftliche und praktische Perspektiven. Eine Tagung vom 2. Mai 2024 an der FU Berlin vom Mideast Freedom Forum Berlin (MFFB) und Chaverim@FU – Netzwerk für jüdische Themen.
Der 1. Teil der Tagung bestand aus einem Vortrag von Jahne Nicolaisen „Eine kritische Theorie der Wissenschaftsfreiheit gegen akademischen Antisemitismus.“
Basierend auf seiner Masterarbeit geht Jahne Nicolaisen zunächst auf den Begriff des akademischen Antisemitismus ein und erläutert, wie sich Antisemitismus an das akademische Feld anpasst und dabei Wissenschaftsfreiheit begehrt, verachtet und bedroht. Anschließend stellt er seine zentralen Thesen einer kritischen Theorie der Wissenschaftsfreiheit vor. Dabei werden mit Bezug auf Adorno und Horkheimer u.a. folgende Fragen behandelt: Warum scheitert die institutionelle Selbstregulierung der Wissenschaft regelmäßig? Was heißt es für eine kritische Theorie, dass nicht jeder Form des Antisemitismus gleichermaßen widerstanden wird? Was bedeutet die systemische Reproduktion des Antisemitismus für liberale Theorien, die auf den Rechtsstaat, auf mündige und demokratische BürgerInnen sowie auf die universitäre Selbstregulierung setzen? Welche Stellung haben humanistische akademische Normen und die akademische Strukturprinzipien (Merton) in einer kritischen Theorie der Wissenschaftsfreiheit? Welche theoretischen Konsequenzen sind daraus zu ziehen, dass sich Antisemitismus auch im freien wissenschaftlichen Meinen reproduziert? Und auf welche Subjektivität ist die formale Freiheit zur Wissenschaft angewiesen?
Jahne Nicolaisen arbeitet als Programmdirektor im Projekt „Bildungsbaustein Israel“ und zu den Themen Antisemitismus, Islamismus und Rechtsextremismus beim Mideast Freedom Forum Berlin (MFFB). Seine Masterarbeit in Politikwissenschaft hat er 2023 an der Freien Universität Berlin geschrieben, in der er eine kritische Theorie der Wissenschaftsfreiheit gegen Antisemitismus skizziert. Nicolaisen ist auch Mitglied der Hochschulgruppe Chaverim@FU – Netzwerk für jüdische Themen. Mit einem Kommentar von Dr. Dennis Wutzke.
Im 2. Teil diskutierten „Für ein freies wissenschaftliches Arbeiten und Studieren – Problematik & Maßnahmen gegen Antisemitismus an deutschen Hochschulen“ – Hanna Veiler (JSUD), Prof. Dr. Friederike Lorenz-Sinai und Prof. Dr. Martin Heger.
Hanna Veiler ist Präsidentin der Jüdischen Studierendenunion Deutschland (JSUD) und erfährt als solche die alarmierende Lage an deutschen Hochschulen für jüdische Studierende tagtäglich. Sie spricht als repräsentative Vertreterin über mögliche Gegenmaßnahmen und das aktuelle jüdische Campusleben in Deutschland. Seit 2018 studiert sie Kunstgeschichte in Tübingen. Außerdem gibt sie als politische Bildnerin Workshops und Vorträge zu Antisemitismus, Rassismus, postsowjetischer Geschichte und kritischer Erinnerungskultur. Interviews mit bzw. Artikel von ihr erschienen zuletzt in zahlreichen deutschen Medien bzw. auf Instagram.
Prof. Dr. Friederike Lorenz-Sinai ist Professorin für Methoden der Sozialen Arbeit und Sozialarbeitsforschung an der Fachhochschule Potsdam und Vorstandsmitglied von „OFEK e.V. – Beratungsstellen bei antisemitischer Gewalt und Diskriminierung“. Zu ihren aktuellen Forschungsschwerpunkten zählen Antisemitismus in institutionellen Kontexten sowie (sexualisierte) Gewalt und soziale Prozesse der Aufarbeitung. Sie leitet mit Marina Chernivsky an einem gemeinsamen Forschungsbereich der Fachhochschule Potsdam und des „ Kompetenzzentrums für antisemitismuskritische Bildung und Forschung“ Studien zu Antisemitismus in Schulen und der Polizei. Im Februar starteten sie das von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes geförderte Forschungsprojekt zu „Auswirkungen des Terrors vom 7. Oktober 2023 auf jüdische und israelische Communities in Deutschland“.
Prof. Dr. Martin Heger ist Professor für Strafrecht, Strafprozessrecht, Europäisches Strafrecht und Neuere Rechtsgeschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin. Aktuell forscht er im Verbundprojekt „Struggling for Justice. Antisemitismus als justizielle Herausforderung“ (ASJust). Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen das deutsche und europäische Umwelt- und Wirtschaftsstrafrecht, Fragen der Kriminalpolitik, das Verhältnis von (Straf-)Recht zu Religion, Geschichte und Sport, der Einfluss von Europa- und Verfassungsrecht sowie der EMRK auf das Strafverfahrensrecht sowie Aspekte des Opferschutzes. Er ist stellvertretender Vorsitzender der Berliner Wissenschaftlichen Gesellschaft (BWG), Mitglied im Berliner Institut für Islamische Theologie (BIT), im Wissenschaftlichen Beirat des Rabbinerseminars zu Berlin und seit 2009 Sprecher der Berliner Studien zum Jüdischen Recht (BSJR). Im April 2024 erschien von Heger ein Artikel über „Antisemitismus als Herausforderung für das bundesdeutsche Strafrecht. Ein juristisch-historischer Blick ‚zurück in die Zukunft‘“ in dem Band „Antisemitismus und Recht. Interdisziplinäre Annäherungen“ (hg. von Christoph Schuch).
Ещё видео!