Willi Kollo (1904-1988)war ein deutscher Komponist und Autor. Willi Kollo war der Sohn des Komponisten Walter Kollo und begann seine Laufbahn als Komponist zunächst als enger Mitarbeiter seines Vaters. So verfasste er beispielsweise Texte für dessen Operetten. Später machte er sich selbst einen Namen als Autor von Kabarett-Revuen im Berlin Ende der 1920er Jahre. Seit 1930 schrieb er zudem Drehbücher und Filmmusik.
Willi Kollo war der Vater des deutschen Tenors René Kollo. Lieber Leierkastenmann
1. Jeder schimpft heut auf Berlin, alle aber loben Wien, überall steht
ein Tenor und singt Wiener Lieder vor. Niemals hörte ich in Wien
Lieder aus der Stadt Berlin, doch, ich muss euch einjesteh`n, ich find
sie genauso schön; es braucht nicht gleich von Mozart sein, es kann
vielleicht auch so zart sein:
2. Lieber Leierkastenmann, fang noch mal von vorne an deine alten
Melodien von der schönen Stadt Berlin. Stehst du unten uff`n Hof, wird
mir jleich ums Herz janz doof; noch eenmal so`n junget Blut sein, noch
eenmal im Tanz sich zärtlich drehn. Lasst man, Kinder, lasst man jut
sein, unsre Stadt Berlin is doch janz schön.
3. Mutter blickt so freundlich drein, wickelt ihren Sechser ein, sie,
die sonst so spart im Haus, schmeißt det Jeld zum Fenster raus! Unten
hebt es uff een Kind mit der Aufschrift-- `Jänzlich blind´! Allen
Leuten weit und breit tut det arme Meedchen leid. Ist blind die arme
Kleene ooch, den Sechser aber sieht se doch.
4. Lieber Leierkastenmann, fang noch mal von vorne an, von dem schönen
Spree-Athen, wo sojar die Blinden sehn. Wo der Mann uff eenem Bein
abends packt die Krücken ein; plötzlich kann er wieder loofen, denn
des Abends ist er auf`n Kien, und da jeht der Junge schwoofen, dafür
stammt er schließlich aus Berlin.
5. Lotte, denkst Du noch daran, wie einst unser Glück begann? Ick saß
in der Linie vier eines Tages neben dir. Beide sprachen wir keen`n
Ton, plötzlich hieß es "Endstation"! Doch wir fuhren beede stumm noch
mal um Berlin herum. Der Schaffner sagte bloss mal so: `Um zwölfe
fahr`n wa ins Depot´.
6. Lieber Leierkastenmann, fang noch mal von vorne an deine alten
Melodien von der Liebe erstem Jrün; spiel noch mal det alte Stück von
dem ersten zarten Glück; sing noch mal die alte Weise, wenn die Herzen
lichterloh erglüh`n, fahren auf die Hochzeitsreise mit der Linie vier
durch Groß-Berlin.
7. Manchmal träum ick nachts davon, ick sitz wieder am Balkon. Oben
vom Geranientopp tropft`s den Leuten uff`n Kopp. An der Ecke Nummer
drei liegt die kleene Bäckerei, und der Drahthaarterrier kläfft immer
noch vor`t Milchgeschäft. Doch wach ich uff des Morgens kaum, dann seh
ick, es war nur ein Traum.
8. Lieber Leierkastenmann, lass durch deines Liedes Bann, mich noch
mal in Nummer zehn durch die alten Räume jehn, wo ick meine Frau einst
nahm, unser erster Junge kam, noch mal in der Küche sitzen, wenn im
Herd die Kohlen still verglühn; `n Kopp in beede Hände stützen, und
dann lass mich träumen von Berlin.
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