Vor 30 Jahren fand der skandalöseste Wettlauf der Sportgeschichte statt. Ben Johnson demütigte Carl Lewis im 100-Meter-Finale von Seoul. Dann trank er vor der Dopingprobe acht Bier mit einem vermeintlichen Freund.
Das Foto ist leicht verwackelt. Außerdem ist es etwas verschwommen, jedenfalls nicht sonderlich scharf. Aber so ist das oft mit solchen alten, historisch wertvollen Dokumenten – heute vor 30 Jahren ist das graue Foto geschossen worden. Ben Johnson liegt bäuchlings auf einer Pritsche. Neben ihm hockt einer auf dem Boden, mit dem Rücken an der Wand, und streckt beide Beine von sich. Vor den zwei Männern, die sich gut gelaunt unterhalten, stehen zwei Dosen Bier.
Ben Johnson lächelt. Er ist gerade Olympiasieger über 100 Meter geworden, er hat gegen Carl Lewis den Lauf des Jahrhunderts gewonnen. Jetzt ist er hier im Raum der Dopingkontrolle und trinkt Bier, damit er endlich pinkeln kann. Und verkürzt sich das Warten mit diesem entspannten Kerl, der neben ihm sitzt. Johnson kennt ihn, denn zwei Jahre zuvor haben die beiden nach dem Leichtathletik-Meeting in Zürich das dortige Nachtleben aufgemischt. „Was hast du hier zu suchen?“, fragt er den alten Kumpel – und wenn der jetzt ehrlich wäre, würde er antworten: „Sei mir nicht böse, Ben, aber die Gegenseite hat mich auf dich angesetzt.“
Dieser lockere Plauderer, den Johnson für einen alten Kumpel hält, ist in Wahrheit ein enger Freund seines schlimmsten Feindes Carl Lewis, den er gerade im Lauf des Jahrhunderts gedemütigt hat. Joe Douglas, der Manager von Lewis, hat ihn zur Dopingkontrolle eingeschleust. „Als Beobachter“, wird Douglas später erklären, „falls Ben Johnson die Dopingprobe manipuliert.“
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