Maurice Ravels "Ma mère l'Oye: 5 pièces enfantines", gespielt vom WDR Sinfonieorchester unter der Leitung von Christoph Eschenbach. Live aufgezeichnet am 19. Dezember 2020 in der Kölner Philharmonie.
WDR Sinfonieorchester
Christoph Eschenbach, Leitung
00:00:00 I. Pavane de la Belle au bois dormant
00:01:38 II. Petit Poucet
00:05:12 III. Laideronnette, Impératrice des Pagodes
00:09:16 IV. Les entretiens de la Belle et de la Bête
00:13:52 V. Le jardin féerique
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○ Werkeinführung:
Es war einmal ... So beginnen Märchen. Und mit solchen Geschichten startet auch das heutige Konzert: Unter dem Titel „Contes de ma mère l’oye“ (Erzählungen von Mutter Gans) versammelte der Schriftsteller Charles Perrault 1697 klassische Märchen wie „Rotkäppchen“ oder „Der gestiefelte Kater“. Damit war er den Gebrüdern Grimm – die teilweise auf ihn zurückgriffen – gut 100 Jahre voraus und prägte das Genre im französischen und angelsächsischen Raum.
Kein Wunder also, dass Maurice Ravel 1910 als Inspirationsquelle zu diesem Märchenbuch griff, als ihn ein Freund bat, kindgerechte Klaviermusik für seine beiden Sprösslinge zu schreiben. Nur zu gerne ließ er sich darauf ein: Ravel war nicht nur ein Menschenfreund, sondern hatte auch ein Faible für das Kindliche, Grazile, Artifizielle; für Miniaturen, Figürchen, Spieluhren und Bonsaibäume. (Er selbst war übrigens auch nur 1,58 m groß.) Und man kann sich die Begeisterung der jungen Widmungsträger Mimi und Jean ausmalen, dass der berühmte Komponist eigens für sie ihre Lieblingsgeschichten in Töne setzte.
Die Musik lebt einerseits von bewusster Schlichtheit, die die Klaviersuiteuch für Kinder spielbar macht, andererseits von der genialen Instrumentation, die Ravel für eine spätere Ballettfassung und die daraus destillierte Konzertsuite vornahm. Vor allem aber von den Melodien und Klangeffekten, mit denen er die Märchenfiguren nachzeichnet. Der träge erste Satz beschreibt Dornröschen im Tiefschlaf. Zu endlosen Achtelketten der Streicher durchwandert dann der Kleine Däumling in Form
eines Oboensolos die Welt, wobei er unterwegs einige Vögel aufschreckt. Exotische Klänge mit Schellen, Glocken und Flöten, wie sie seit der Pariser Weltausstellung von 1889 en vogue waren, portraitieren die Kaiserin der Pagoden. Noch konkreter erzählt Ravel die Geschichte von der Schönen (Klarinette) und dem Biest (Kontrafagott): Nachdem sich die beiden in einem Walzer angenähert haben, wird der böse Zauber durch ein Harfenglissando gebrochen, und das brummende Fagottbiest verwandelt sich in einen adretten Geigenprinzen. Zum Schluss weicht der schlafende Wald einem Feengarten – wirklich wie im Märchen.
(Text: Clemens Matuschek)
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