Bellingham niedergeschlagen: "Heutzutage ist es so schwierig" | Spanien - England 2:1 | EM 2024
Jude Bellingham stellte sich nach dem verlorenen Finale Englands bei der Europameisterschaft 2024 in Deutschland den Mikros. England schnupperte gegen Europameister Spanien nur kurz am Finalsieg. Nach dieser EM wäre er aber nicht verdient gewesen, nach diesem Finale ebenso wenig. Eine Analyse des Turniers der Three Lions.
Da standen sie, bedröppelt, traurig, resigniert. Und schauten den Anderen beim Jubeln zu. Wieder mal. 2021 den Italienern in Wembley, 2024 nun den Spaniern in Berlin. England bleibt immer nur der höfliche Applaus für den Sieger. Im Prinzip seit 1966 bei großen Turnieren, nicht nur nach Finals seitdem. Warum ist das so?
Man könnte jetzt bei Adam und Eva anfangen, muss man aber nicht. Man kann das Ganze auf drei Namen herunterbrechen: Harry Kane, Cole Palmer, Gareth Southgate. Kane war einer von mehreren Torschützenkönigen am Ende dieser EM, doch das ist nicht mal ein schwacher Trost für diesen Stürmer, es ist gar keiner. Drei Treffer lieferte er im Turnier, zu oft blieb er blass. Er schleppte sich mit Rückenschmerzen durch, war so keine Hilfe, wurde zuletzt öfter ausgewechselt. Und wenn der Leitwolf lahmt, wie soll das Rudel dann glänzen?
Southgate leistete sich nicht nur diesen krassen Fehler mit Palmer. Er ließ ein Team, mit dem uns allen von Trainern wie Pep Guardiola oder Jürgen Klopp wahrscheinlich wunderbare Fußball-Abende beschert worden wären, zögerlich agieren. Ganz selten mal Angriffspressing, das Verteidigen glich einem Verschiebebahnhof oder dem Tanz der Oranje-Fans. Von links nach rechts … und zurück. In der eigenen Hälfte. Nicht nur gegen Spanien, auch gegen Dänemark oder die Slowakei. Ist das der Anspruch eines Teams mit solchen Spielern? Wohl nicht.
Palmer war der beste Youngster der Premier League, der beste englische Torschütze, ein Alleskönner am Ball, eiskalt, nicht zufällig Torschütze im Finale. Doch er hatte seinen Stammplatz - auf der Bank. Unverständlich, wenn ein Phil Foden das ganze Turnier quasi nicht aus dem Quark kommt.
Der pure Pragmatismus rechtfertigte alles in Southgates Augen, schließlich stand er im Finale. Doch dieser oberflächliche Blick wird dem Verband bei der Analyse nicht weiterhelfen. Natürlich hat er nicht alles falsch gemacht, aber wenn keine klare Spielidee erkennbar ist, wenn man sich versteckt, obwohl doch die Gegner vor diesem Team Angst haben müssten, und wenn er das Ganze dann noch personell vercoacht, wird’s schwierig. Luke Shaw im Finale zu bringen, der seit Februar nur 87 Minuten gespielt hatte, alle bei dieser EM, war ein Wagnis gegen Lamine Yamal, das nur eine Halbzeit lang aufging. Ein unnötiges zudem.
Die FA, der englische Verband, könnte an Southgate, der selbst seine Zukunft offen ließ, festhalten. Seine Bilanz mit drei Halbfinal- und zwei Endspielteilnahmen seit 2018 würde dies durchaus rechtfertigen. Wenn man aber mal richtig durchlüften will, neue Impulse von der Bank bevorzugt und endlich mal schönen Fußball von diesem Star-Ensemble sehen will, könnte man ins Grübeln kommen.
Das Problem ist ja auch die Außen- und Langzeitwirkung, die von einer Nationalmannschaft ausgeht: Immer nur Ergebnisfußball, welche Entwicklung will man damit langfristig im englischen Fußball fördern? Bei den Spielern, bei den englischen Trainern, von denen es jetzt schon wenige gibt in der Premier League?
Dass England das Finale nicht gewonnen hat, ist keine Schande, schließlich hat Spanien alles gewonnen. Aber dass die Three Lions so unendlich wenig aus so unendlich vielen Möglichkeiten gemacht haben, ist traurig. So wie die ausnahmsweise leisen Fans der Engländer in der Berliner U-Bahn. Sie waren gemeinsam einsam.
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